Page 62 - Rudolf Giesselmann - Landerziehungsheim Walkemühle
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Selbstversorger, autark. Aber auch aus politi- bevölkerung, was die interessierte, aber dann
schen Gründen war eine bestimmte Unab- leistete er sich auch mit der Anschaffung der
hängigkeit und Selbständigkeit erforderlich. Es Turbinen einen hanebüchenen Blödsinn. Er
gab Werkstätten für fast alle Arbeiten, eine glaubt also, dass er mit zwei lächerlichen Tur-
eigene Gärtnerei, Sicherungen gegen Über- binen Adelshausen und das halbe Pfieffetal mit
griffe durch die SA, eine eigene Stromversor- Strom versorgen könnte.
gung und eigene Transportmittel, Fahrräder.
Ein Helfer:
“Nelson hatte immer gesagt: ,Das
Transportmittel ist das Fahrrad.’ Wir hatten in
der Walkemühle 25 Fahrräder, unse-
re ,Kommuneräder’. Größtenteils waren die
meisten jedoch nicht fahrbar, obwohl ei-
gentlich alle gemeinsam die Räder in Ord-
nung halten sollten, nur die schlimmsten
machte ich dann in der Schlosserei.
Manchmal ist es vorgekommen, wenn je-
mand schnell nach Melsungen hin wollte,
kam der dann zu mir gelaufen: ,Mensch Willi,
borg mir schnell dein Rad!’, denn ich hatte
i
mein egenes Rad mit auf die Walkemühle
gebracht, es aber nie in diese ,Kommune’
eingruppiert; das stand immer in der Schlos-
serei und es war tatsächlich manchmal das
einzige Rad, das funktionierte. Wir haben
darüber gesprochen und gesagt: ,Das ist der
beste Beweis gegen den Kommunismus, das
funktioniert einfach nicht.’ ” (Willi Warnke)
Eine Schülerin dazu:
“Das mit den Fahrrädern haben wir sehr
ausgiebig diskutiert: Gemeinschaftsbesitz und Wasserfall an der Turbine
Individualbesitz. Das liegt in der menschlichen Die eine Turbine leistete dann endlich 16 PS, die
Natur, dass, wenn er selber etwas besitzt, wenn andere war eine sogenannte Hochwassertur-
er nicht gerade schlampig ist, er das mehr bine mit 2000 l/sec Durchgang, lief also nur
pflegt, als wenn es einer Gemeinschaft gehört, selten im Jahr; sogar wir brauchten nachher für
wo jeder es gebrauchen kann. Es war tat- manche Zeiten zur zusätzlichen Stromerzeu-
sächlich so, die Gemeinschaftsräder waren gung noch einen Dieselmotor.
nicht so in Schuss, als wenn jeder sein eigenes
gehabt hätte, und der Leidtragende war dann Hinten über der Turbinenwelle war noch eine
der, der sie zum Schluss reparieren musste, der Kammer, da standen die Fettfässer und
Schlosser.” (Emmi Gleinig) Schmierstoffe, da wollte Wunder zuerst noch
Akkus aufstellen, den Strom in Zeiten geringen
Bedarfs speichern, um ihn dann bei höherem
Die Stromversorgung Bedarf wieder abgeben zu können. Und neben
Ein Helfer: dieser Anlage, unten im riesengroßen Akade-
miegebäude, habe ich dann fast drei Jahre
“Der Ludwig Wunder, mit dem das ja alles in mutterseelenallein gehaust. Technisch war das
zwar sehr interessant, doch das hat mich
der Walkemühle angefangen hatte, muss in
mancher Hinsicht ein eigenartiger Kauz ge- Nerven gekostet!” (Willi Schaper)
wesen sein. Er tat bestimmt viel für die Land-
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